In Würde altern und sterben

"Ich lasse mein Pferd in Würde altern und sterben."

Wenn ich mir diesen Satz in Erinnerung rufe, würde ich gern meinem früheren "Ich", die den Satz mit Leichtigkeit ausgesprochen hat, die Hand auf die Schulter legen und ihr sagen.

"Ja, Sarah, wahre Worte. Aber ERLEBE es erst einmal und dann können wir weiter reden."

Und nun sitze ich hier, Jahre später, in einem Meer aus Tränen und etwas überfordert. Okay, heute bin ich ziemlich überfordert und ich leide heute. Und weißt du was. Das ist völlig okay.

Ich sehe mein Pferd an, das nun von Tag zu Tag älter wird und frage mich wie sehr leidet er oder wie gut geht es ihm noch?

Mein Nevil, der mit mir über alle Felder und Wege galoppiert ist, in einem Affenzahn und ohne Halt. Und wir dabei so eine Freude hatten.

Nun steht er vor mir. Mit seiner Arthrose überall, mit seinen immer schlechter werdenden Zähnen, mit seinem schlechten Auge und schaut mich an.

Ich frage mich ernsthaft, ob ein Pferd in Würde altern und dann sterben kann?

Mal ehrlich, wir sprechen hier von einem Lauftier, einem Fluchttier und nicht von einem Menschen, den man mal eben in einen Rollstuhl setzen kann und der mir in Worten mitteilen kann wie es ihm geht.

Letztendlich kann mir niemand die Frage beantworten wie es ihm wirklich geht. Hat er schmerzen beim Kauen? Hat er Schmerzen beim Laufen? Kann er gut liegen?

Was mir bleibt ist die Beobachtung…. Und was ich sehe (Als Huftante und Therapeutin) gefällt mir nicht. Punkt. Und doch fühle ich mich wie ein Alien, wenn ich davon rede wie schlecht er mir gefällt und komisch angeschaut werde.

Aber was ich sehe…. Sehe ich nun mal. Was ich wahrnehme, nehme ich nun mal wahr. Und doch spiegelt sich indem die Überforderung und das "davon-weglaufen-wollen" wider.

Ja, mir fällt es schwer das zu ertragen und mit anzusehen. Aber für meinen Freund bleibe ich. Für meinen Freund finde ich die Stärke und den Halt. Und an Tagen wie diesen lasse ich es einfach fließen, denn die Trauer und die Überforderung dürfen raus und sie dürfen fließen. 

Und am Ende bin ich dem Kerl Dankbar für diesen Prozess. Denn das ist es am Ende. Ein Prozess mit dem ich gehen und wachsen kann und ich bin froh dass ich diesen Weg mit diesem tollen Pferd gehen kann.

Danke Nevil!